HEIDI
FRAHM
HEIDI FRAHM - LEICHTE SPRACHE
Sie kommt aus Hamburg.
Sie hat einen Bruder.
Er heiflt Christian.
Er wurde als kleines Kind ermordet.
Niemand sagt ihr wo sein Grab ist.
Sie sucht es viele Jahr-Zehnte.
Im Jahr 2014 sucht sie es auch in Lüneburg.
Aber sie findet es nicht.
In Hamburg gibt es einen großen Grabstein.
Für alle die kein eigenes Grab haben.
Da schreibt sie diesen Satz drauf:
Du bist mein kleiner großer Bruder.
Du wurdest von Nazis ermordet.
Ich vergesse dich nicht.
Aber das reicht ihr nicht.
Im Jahr 2021 sucht sie immer noch nach dem Grab.
Diesmal hat sie Erfolg.
Sie findet das Grab.
Es ist auf dem Zentral-Friedhof in Lüneburg.
Auf einer Kriegs-Gräber-Stätte.
Frage 1: Wie viel MUT brauchte es, sich der Vergangenheit zu stellen?
Ich weiß: Mein Bruder hat eine Behinderung.
Weil er zu wenig Sauer-Stoff bekommen hat.
Bei seiner Geburt.
In Hamburg fallen im Krieg viele Bomben.
Auch das Haus von der Familie von Christian wird getroffen.
Darum kommt die Familie nach Niedersachsen.
Sie kommen an einen Bahnhof und in eine Unterkunft.
Christian kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Weil er eine Behinderung hat.
Meine Mutter sagt:
Christian stirbt durch eine Rauch-Vergiftung.
Vom Bomben-Angriff.
Aber das stimmt nicht.
Im Jahr 2014 bin ich mutig.
Ich werde enttäuscht.
Ich bekomme keine Antwort.
Darum verlässt mich der Mut.
Im Jahr 2021 nehme ich alle Kraft zusammen.
Ich bin noch einmal mutig.
Ich frage nochmal nach.
Diesmal bekomme ich alle Antworten.
Es geht ganz schnell.
Frage 2: Wie hat das Wissen um die Geschichte Ihr Leben verändert?
Ich bin noch mutiger geworden.
Ich erzähle von Christian.
Das mache ich als Zeugin des Verbrechens von den Nazi-Verbrechen.
Damit viele das erfahren.
Die Menschen sollen nicht wieder rechts denken.
Ich bin meinem Vater dankbar.
Er hat Christian nicht allein gelassen.
Er hat ihn besucht.
Er hat dafür gesorgt, dass er heute ein Grab hat.
Aber es macht mich auch traurig.
Die Mörder waren auch Väter.
Das begreife ich nicht.
Wie das gleichzeitig geht.
Frage 3: Was erwarten Sie von Ihren Mitmenschen in Bezug auf den heutigen
Umgang mit diesen NS-Verbrechen?
Geschichte kann sich wiederholen.
Nazis kommen wieder an die Macht.
In ganz Europa und in Nord-Amerika.
Das macht mich fertig.
Ich will:
Entscheider sollen Handeln.
Gegen Rechte.
Ich wünsche mir mehr Geld für Gedenkstätten-Arbeit.
Ich will:
Du und du und du, wir alle müssen uns für Menschen-Rechte einsetzen.
Gegen Hass.
Gegen Gewalt.
An Menschen mit Behinderungen,
an Menschen mit anderem Glauben,
oder Anders-Liebende,
oder Menschen aus anderen Ländern,
oder Menschen anderer Haut-Farbe.
Frage 4: Können Sie "vergeben" und "verzeihen"?
Ich glaube an Gott.
Im Gebet sagen wir:
Vergebe den Schuldigen.
Aber das kann ich nicht.
Trotz meines Glaubens.
Christian Meins ist am 10. Juni 1939 geboren.
Seine Eltern heißen Gretel und Hermann.
Sie sind gegen die Nazis.
Gretel ist Köchin.
Hermann ist Elektriker.
Christian ist das erste Kind.
Er hat eine Behinderung.
Seit seiner Geburt.
Christian entwickelt sich nicht gut.
Er hat Anfälle.
Er klappert gerne mit Türen.
Die Eltern machen sich Sorgen.
Sie fragen sich:
Was ist mit Christian los?
Wieso klappert er mit Türen?
Hermann arbeitet ganz viel.
Er braucht das Geld von der Arbeit.
Um einen Heil-Praktiker zu bezahlen.
Der unter-sucht Christian.
Die Eltern sind aber auch sehr glücklich über Christian.
Er ist ihr Prinz.
Er ist ihr Lieblings-Kind.
1942 gibt es einen Bomben-Angriff.
Das Wohn-Haus von Christian wird getroffen.
Es wird zerstört.
Sie haben kein zu Hause mehr.
Christian und die Eltern müssen weg aus Hamburg.
Sie kommen nach Burg-Dorf.
Dort fällt Christian auf.
Er muss zum Gesundheits-Amt.
Dort wird er von einem Arzt unter-sucht.
Der Arzt sagt:
Christian ist behindert.
Er darf nicht bei seiner Familie bleiben.
Sie können ihn nicht mit-nehmen.
Christian gehört in eine Kinder-Fach-Abteilung.
Sofort.
Hermann bringt seinen Sohn in die Kinder-Fach-Abteilung.
Das ist zwei Tage nach dem Besuch des Gesundheits-Amtes.
Hermann geht zurück nach Hamburg.
Er beschafft eine neue Unterkunft.
Danach kehrt Gretel mit ihren Eltern zurück.
Christian wurde ermordet.
Er ist ein Opfer des Patienten-Mordes der Nazis.
Das ist im August 1943.
Christian Meins liegt auf dem Zentral-Fried-Hof.
Das wollte Christians Vater.
Christians Grab ist auch ein Kriegs-Grab.
Darum ist das Grab heute noch da.
Christians Schwester Heidi sucht das Grab 20 Jahre.
Heidi glaubt:
Ich finde das Grab nicht mehr.
Christian Meins - LEICHTE SPRACHE
Das ist ein Foto von Christian.
Christian wohnt in Hamburg.
Das Foto ist von 1941.
Auf dem Foto ist Christian 2 Jahre alt.
Das ist eine Post-Karte.
Darauf steht:
Christian ist das wichtigste.
Alles andere ist nicht wichtig.
Von dieser Post-Karte gibt es viele.
Auf einer steht:
Christian ist an einer Rauch-Vergiftung gestorben.
Er soll zu viel Rauch geatmet haben.
Bei einem Bomben-Angriff in Hamburg.
Aber das stimmt nicht.
Die Post-Karte ist aus dem Jahr 1942.
Gretel kann ihren Christian nicht besuchen.
Sie ist zu weit weg.
Sie ist in der Nähe von Coburg.
Sie schreibt einen Brief.
Darin steht:
Ich kann Christian nicht besuchen.
Wie geht es ihm?
Der Brief kommt an.
Aber da ist Christian
schon tot.
Christians Name steht auf einem Erinnerungs-Stein.
Dieser Stein steht auf einem anderen
Fried-Hof in Hamburg.
Doch im Herbst 2021 findet Heidi das
richtige Grab.
Nun kann sie sich an ihren Bruder erinnern.
In Hamburg und in Lüneburg.
Wir erinnern mutig