In jeder Familie gibt es einen Menschen, der die Kerze weiterträgt, der die alten Fotoalben besitzt, weiß, wer auf den vergilbten Fotos abgebildet ist. In ihrer Familie ist sie diejenige, und ihre Kerze ist besonders schwer. Ihr Großvater Max Bräuner ist der Hauptverantwortliche für die Lüneburger »Euthanasie«-Verbrechen. Sie ist Enkelin eines hundertfachen Mörders, den sie als Kind »großer Opa« nannte und dessen raue Bartstoppeln sie heute noch spüren kann, wenn sie sich an ihre Kindheit erinnert. Als sie vor über 25 Jahren herausfand, was ihr Großvater als Arzt verbrochen hatte, wurde das Reden mehr und mehr ein Stück Befreiung. 2017 sprach sie das erste Mal öffentlich über seine Taten, anfangs noch mit zittrigen Knien. Seit einigen Jahren lasten die Verbrechen nicht mehr auf ihr. Stattdessen schöpft sie Kraft daraus, anderen Menschen zu vermitteln, wie wichtig es ist, als Mensch menschlich zu sein.
GILA
BHATIA
Max Bräuner
Max Bräuner (1882 - 1966) kam aus Karlsruhe. Er war der Sohn eines Postdirektors und studierte in München und Göttingen Medizin. 1909 trat er die Stelle eines Assistenzarztes in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg an und heiratete 1911 Helene Feddersen. 1917 wurde der einzige Sohn geboren. Ab 1936 war er Ärztlicher Direktor der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt.
Als überzeugter Nationalsozialist war er Mitglied in verschiedenen Organisationen der NSDAP und wirkte am Erbgesundheitsgericht Lüneburg. Ab 1. April 1938 übernahm er zudem die Kreisleitung des rassenpolitischen Amtes.
Ab 1941 war er an unterschiedlichen »Euthanasie«-Maßnahmen beteiligt und verantwortete insgesamt nahezu 1.400 Morde, für die er sich nie rechtfertigen musste. Er wurde als »Mitläufer« entnazifiziert, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wurden sowohl 1949 als auch 1966 trotz seines Geständnisses eingestellt. Er starb am 9. Dezember 1966.
Max Bräuner mit dem Examenkurs angehender Pflegerinnen, etwa 1932
ArEGL.
Wir erinnern mutig