Magda Wajsens Großvater ist ein Überlebender des Konzentrationslager Neuengamme. Als Angehörige eines KZ-Häftlings ist sie mindestens einmal im Jahr in Hamburg. Im Jahr 2023 erhielt ihre Cousine aus dem Archiv in Arolsen Informationen über Franciszek Wajsen, den Bruder ihres Großvaters. Magda bat die KZ-Gedenkstätte Neuengamme um Hilfe bei der Übersetzung und Interpretation der Unterlagen. Natalia Wollny von der Gedenkstätte Lüneburg, die auch für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme arbeitete, stellte den Kontakt her. Die »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg leistete ab dann wichtige Unterstützung bei der Aufklärung der Einzelheiten zu Franciszeks Aufenthalt und Tod. Die Familie dachte seit 1945, er wäre in der Zwangsarbeit oder KZ-Haft gestorben, nun fand sie sein Grab auf dem Anstaltsfriedhof wieder. 2025 musste sie erfahren, dass die Gebeine im Franciszek Wajsen zugewiesenen Grab vielleicht doch nicht seine sind. Nun stellen sich neue Fragen, vor allem diese: Wo wurde er tatsächlich begraben?

MAGDA
WAJSEN

Franciszek Jozef Wajsen

Franciszek Wajsen stammte aus Hrubieszów in Polen. Er war Sohn des Handwerkers Józef Wajsen und dessen Ehefrau Katarzyna (geborene Hunkiewicz). Józef war deutsch-jüdischer Herkunft. Franciszek hatte vier Brüder: Mieczysław, Jan, Kazimierz und Stanisław. Er war der Zweitälteste. Mieczysław ging als »Volkdeutscher« nach Schlesien, er überlebte als Übersetzer in Frankreich. Der jüngere Bruder Jan verschwand von einem Tag auf den anderen. Die Familie geht davon aus, dass er erschossen wurde.

Im Mai 1942 wurden die Brüder Kazimierz und Franciszek Wajsen zur Zwangsarbeit nach Hamburg verschleppt. Sie kamen in zwei verschiedene »Arbeitserziehungslager«, Franciszek wegen eines Fluchtversuchs, sein Bruder Kazimierz wegen »illegaler Versammlungen«. Kazimierz überlebte das Konzentrationslager Neuengamme und wurde im Mai 1945 auf dem Schiff »Athen« befreit.

Franciszek Wajsen hielt den Belastungen der Zwangsarbeit nicht stand. Er wurde von der Gestapo aufgegriffen und am 2. September 1942 in die Psychiatrie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf eingewiesen. Weil er als »arbeitsunfähig« eingestuft wurde und der Betrieb ihn nicht zurückhaben wollte, genehmigte das Arbeitsamt die vom Arzt angeratene Rückkehr nach Hause. Doch er kehrte nicht zurück.

Im Dezember 1943 arbeitete Franciszek in Greversdorf-Oste bei einem Bauern. Im März 1944 wurde er wegen Fluchtgefahr aus dem Gerichtsgefängnis Cuxhaven in die Gestapohaft im »Arbeitserziehungslager« Bremen-Farge entlassen. Von dort wurde er am 26. Juni 1944 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt. Franciszeks Mutter Katarzyna Wajsen flüchtete mit Stanisław nach Warschau. Sie ließ ihren Ehemann zurück. Józef soll danach nach Deutschland gegangen sein.

Identitätsnachweis von Franciszek Wajsen, nach 1945.

Arolsen Archives.

Kazimierz Wajsen
(2. v. l.?) mit Kameraden aus der Zwangsarbeit, vor April 1944, Hamburg.

Privatbesitz Magda Wajsen.

Brief von Hans Follstich an das Arbeitsamt Hamburg vom 4.12.1942.

Arolsen Archives.

Haftliste polnischer Zwangsarbeiter, die aus dem Gerichtsgefängnis Cuxhaven anderen Haftorten überstellt wurden, 1944.

Arolsen Archives.

Wir erinnern mutig